Artikel vom 
Juni 29, 2023

5 Wege aus dem Gedankenkarussell

Lesedauer 5 Minuten

Was sollte diese Bemerkung meiner Arbeitskollegin? Wollte sie mich vor allen anderen bloßstellen? Bestimmt haben alle gedacht, dass sie recht hat. Und wenn das alle denken, ist da bestimmt auch etwas Wahres dran. Vielleicht sollte ich einfach gar nichts mehr mit ihnen unternehmen … STOPP.
Diese Gedanken könnte man sicherlich noch Ewigkeiten so weiterspinnen. Wir Menschen geraten schnell ins Grübeln und uns sorgen, das Gedankenkarussell dreht sich. Über uns und unser Verhalten, über andere Menschen, diverse Situationen, egal ob um aktuelle, vergangene oder noch fern in der Zukunft liegende.

Im Buddhismus wird das Denken als 6. Sinn verstanden, dem wir - verglichen mit den  anderen 5 Sinnen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten) - den Großteil unserer Zeit widmen. Dabei läuft das Denken häufig unterbewusst ab und macht sich oft erst nach geraumer Zeit bemerkbar. 

Vielleicht kennst du das, wenn du eigentlich eine Buchseite lesen wolltest und erst am Ende der Seite feststellst, dass du gar nicht weißt, was da gerade passiert ist? Oder wenn du auf dem Rückweg von der Arbeit noch bei einem Freund vorbeifahren wolltest und dich erst beim Einbiegen in deine Straße daran erinnerst? Beides sind Beispiele dafür, dass dich deine Gedanken davon getragen haben.

Ab wann jedoch wird das Gedankenkreisen oder „Tagträumen“ problematisch? Und was versteht man unter dem Begriff „Grübeln“ eigentlich genau? Warum wir Menschen grübeln und wie wir uns dennoch aus dem Gedankenkarussell lösen können, das erfährst du hier.

Grübeln - was ist das und warum machen wir das eigentlich? 

Beim Grübeln denken wir über uns und unsere Probleme nach. Wir verfallen in eine Gedankenspirale, bei der die Gedanken kreisen, wir dieselben Dinge wiederholend überdenken und dabei - das ist das Entscheidende - dennoch zu keiner Lösung gelangen.  Wir können das Grübeln mit dem Lauf in einem Hamsterrad vergleichen: Es ist anstrengend und kostet enorm viel Kraft - vorankommen tun wir jedoch nicht.

Grübeln lässt sich vom “sich sorgen” abgrenzen: Während wir, wenn wir uns Sorgen machen, gedanklich in der Zukunft sind, wir uns z. B. Dinge ausmalen und versuchen, Situationen vorherzusagen, reisen wir beim Grübeln gedanklich in die Vergangenheit. Dabei erleben wir Situationen vor unserem inneren Auge erneut, analysieren wieder und wieder unsere eigenen Fehler, gehen Streits im Kopf durch und hinterfragen unser Verhalten. Dass Grübeln dadurch einen negativen Einfluss auf unsere Stimmung hat, ist nachvollziehbar. Es bindet unsere Konzentration, zieht dabei viel Energie und löst Stress in uns aus. Zudem begünstigt die wiederkehrende Beschäftigung mit denselben Themen Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht sowie geistige Unflexibilität (= die Schwierigkeit, sich bei veränderten Umständen und Anforderungen rasch auf diese einzustellen und sich an diese anzupassen). Womöglich verurteilen wir uns sogar selbst für unser Grübeln. 

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Also: Warum grübeln wir Menschen?

Diese Frage ist evolutionär erklärbar. Schon in der Steinzeit war es wichtiger, auf Gefahren zu achten als auf das Schöne, denn - wer auf Gefahren achtete (z. B. auf einen Tiger) konnte im Extremfall das eigene Überleben sichern. Unser Gehirn ist also darauf ausgerichtet, Gefahren und Probleme möglichst schnell zu erkennen. Aus diesem Grund behalten wir auch so viel leichter negative Inhalte im Kopf als Positive: Negatives bleibt haften wie Klett oder Sekundenkleber, Positives perlt ab wie Butter in einer teflonbeschichteten Pfanne. Dr. Rick Hanson nennt dies das „Klett-Teflon-Prinzip“. Wir halten uns also lang an unseren Problemen auf, um Gefahren aka „Katastrophen“ zu vermeiden. Das Grübeln scheint uns also eine Art Sicherheit zu geben. Wir versprechen uns davon Lösungen, merken jedoch nicht, dass unsere Hoffnung einer Lösungsfindung oft nur eine schiere Illusion bleibt. Wir gaukeln uns vor, dass das Grübeln uns etwas nützt.  Aber wenn das so wäre, dann müsste man ja einfach ein bisschen mehr grübeln und die Probleme würden sich in Luft auflösen, nicht wahr? 😉

Wege heraus - Der erste Schritt … 

Es ist manchmal gar nicht so leicht festzustellen, ob man sich gerade in einem konzentrierten, konstruktiven Problemlöseprozess befindet oder man doch nur ziellos am Grübeln ist. Um herauszufinden, um welche der beiden Möglichkeiten es sich handelt, kann dir der 2-Minuten-Test von Dr. Tobias Theismann helfen. In diesem geht es darum, sich einen Wecker zu stellen und 2 Minuten den Gedanken nachzugehen und sie zu verfolgen. Anschließend stellt man sich folgende 3 Fragen:

  1. Bin ich in diesen 2 Minuten der Lösung näher gekommen?
  2. Habe ich etwas verstanden, was mir vorher nicht bewusst oder klar war?
  3. Fühle ich mich nun besser/ weniger traurig/ weniger ängstlich/ weniger depressiv?

Wenn du keine dieser 3 Fragen mit „Ja“ beantworten kannst, befindest du dich höchstwahrscheinlich im Grübelmodus. Wenn du den Grübelmodus bemerkst, kannst du dich auch bewusst dafür entscheiden, den Modus zu verlassen. Wir haben fünf Methoden für dich zusammengestellt, die dir dabei helfen können, das Gedankenkreisen zu durchbrechen

5 Wege aus dem Gedankenkarussell 

1. Grübelstopp

Die erste Technik nennt sich „Grübelstopp“. Es mag trivial klingen, aber wenn du bemerkst, dass du dich im Grübelmodus befindest, das Grübeln weder hilfreich noch zielführend ist, sage dir einmal innerlich (wenn du magst auch laut) STOPP. Dabei kannst  du versuchen, vor deinem inneren Auge einen roten Luftballon mit der Aufschrift STOPP  aufsteigen zu lassen oder dir ein rotes Stoppschild vorzustellen. Versuche, dich (so gut es geht) auf dieses innere Bild zu konzentrieren. Diese Technik kannst du z. B. gut an den oben genannten 2-Minuten-Test anschließen. Sollten sich die Gedanken dir wieder aufdrängen, wiederhole die Technik ein paar Mal.

2. Grübelstuhl

Wenn du Schwierigkeiten mit der ersten Technik hast, hilft es dir vielleicht, sie mit unserer zweiten Technik zu kombinieren. Anstatt die Gedanken wie in Technik 1 einfach nur wegzudrücken, kannst du dir bewusst ein Zeitfenster einrichten, in welchem du dich um  deine Probleme kümmern kannst und nach Herzenslust grübeln „darfst". Wähle dafür also  eine feste Zeit (z. B. 17:00 - 17:30 Uhr) und einen festen Ort aus (bestenfalls einen  ungemütlichen Stuhl, auf dem du sicherlich nicht lange verweilen magst), stell dir einen  Wecker auf 30 Minuten und los geht das Grübeln! Zu dieser Zeit darfst du frei über alles  nachgrübeln. Es ist wichtig, dass du wirklich die vollen 30 Minuten grübelst und erst aufhörst, wenn der Wecker klingelt. Wenn sich dir dann zu anderen Tageszeiten Grübelgedanken aufdrängen, nutze den Grübelstopp aus Technik 1 und verschiebe dein  Grübeln auf dein nächstes festes Grübelzeitfenster. Damit holst du dir die Kontrolle über den Grübeln zurück!

3. Grübelgedanken aufschreiben

Auch diese Technik hat sich therapeutisch als sehr wirksam erwiesen. Um Struktur in das  Gedanken-Wirrwarr zu bringen, lohnt es sich, die Gedanken aufzuschreiben. Blickst du zu einem späteren Zeitpunkt (z. B. während deiner Grübelzeit) nochmal mit Distanz drauf, kannst du womöglich schneller erkennen, an welchen gedanklichen Punkten du schonmal warst, bei welchen Gedanken es sich um schlichte Grübelgedanken handelt und welche Potenzial für Lösungen bieten. Außerdem: Was du schriftlich festhältst, kannst du gedanklich leichter loslassen!

4. Fokus verschieben

Manchmal hilft auch eine einfache Ablenkung. Es kann schon wirksam sein, einfach den Raum zu wechseln und den Fokus auf deine Umgebung zu lenken. Dabei kannst du z. B. die 5-4-3-2-1 Übung durchführen: Suche 5 Dinge - die du um dich herum siehst, 4 - die  du hörst, 3 - die du spürst, 2 - die du riechst und 1 Sache, die du schmeckst. Eine ausführliche Erklärung dazu findest du in dieser Podcast-Folge zum Mitmachen. Du kannst auch gedanklich versuchen, dich abzulenken, z. B. indem du im Kopf einfache Rechenübungen machst (von 100 in 7ner Schritten runterzählen) oder dir innerlich ein Gedicht aufsagst. Das einzig Wichtige ist, dass es sich um keine schädliche Ablenkungsstrategie (wie Überarbeitung, Alkoholkonsum etc.) handelt.

5. Aktiv werden

Anstelle die Gedanken zu bewegen, bringe deinen Körper in Bewegung! Vielleicht kannst du eine Runde spazieren gehen, Sport machen oder eine andere Tätigkeit beginnen, mit der du in den Flow kommst oder die dir richtig Spaß macht! Viele der oben genannten Tipps helfen erstmal dabei, das Grübeln kurzfristig zu unterbrechen. Anschließend ist es jedoch ratsam, ins Handeln zu kommen und eine Aktivität an den Grübelstopp anzuschließen. Und falls du währenddessen gedanklich abschweifst, nimmst du dies achtsam zur Kenntnis und legst deinen Fokus und deine Aufmerksamkeit wieder auf die Aktivität.

Das Grübeln überfällt uns alle oft ungefragt. Das Gute jedoch ist: Wir haben Kontrolle darüber. Und mit etwas Übung und Selbstmitgefühl kannst du dein Grübelverhalten nachhaltig beeinflussen.

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Friederike Schubbert

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