Artikel vom 
August 15, 2022

Nein sagen: So kannst du es lernen

Lesedauer 4 Minuten

Schon wieder “Ja” gesagt, obwohl du eigentlich ein “Nein” gefühlt hast? Bei einer Verabredung zugesagt, obwohl du eigentlich müde bist, Extraarbeit angenommen, mit der du eigentlich überfordert bist oder Hilfe zugesagt, obwohl du eigentlich keine Zeit hast? Als Jasager:in stehst du nicht allein da. Denn Nein zu sagen, fällt uns häufig schwer – gerade gegenüber Menschen, die man liebt oder schätzt. Die Gründe dafür sind vielfältig, vielleicht wollen wir unser Gegenüber nicht verletzen oder selber gut dastehen. Und natürlich ist es auch mal notwendig, eine ungeliebte Aufgabe zu erledigen und einer anderen Person einen Gefallen zu tun. Ein Problem stellt das Ganze aber dar, wenn wir häufiger die eigenen Grenzen und Bedürfnisse übergehen. Das kann in Erschöpfung, Stress und letztlich auch psychischen Problemen enden. Das Gute ist: Du kannst lernen, die eigenen Grenzen zu erkennen und sie zu kommunizieren, ohne dich schlecht zu fühlen. Hier findest du Tipps, wie die Abgrenzung gelingen kann. 

Warum fällt uns das Nein sagen so schwer?

Die Gründe für Schwierigkeiten mit dem Nein sagen sind vielfältig und hängen von der Persönlichkeit, von unserer Erziehung und Erfahrungen aus unserer Lebensgeschichte ab. Das könnte beispielsweise durch Sätze aus der Erziehung begünstigt worden sein, wie: “Erst die Arbeit, dann das Vergnügen” oder “Was sollen denn die anderen denken?”. Auch Erfahrungen, dass die eigenen Grenzen nicht geachtet wurden oder vergangene, starke Konflikte, können Einfluss haben. Um dich selbst besser zu verstehen, hilft es, erst einmal eine Art “Analyse” deines Ja-sage-Verhaltens zu machen, um zu erkennen, wo genau deine Schwierigkeiten liegen. 

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Einige Gründe für Schwierigkeiten Grenzen zu setzen, können sein:

  • Du möchtest von allen gemocht werden. 
  • Du befürchtest, dass Nein sagen zu einem Konflikt führen könnte. Dahinter könnte auch eine Angst stehen, den Arbeitsplatz oder eine Freundschaft zu verlieren. 
  • Du möchtest nicht egoistisch erscheinen.
  • Du hast hohe perfektionistische Ansprüche an dich selbst und erwartest von dir, immer hilfsbereit, stark und belastbar zu sein. 
  • Du möchtest andere nicht verletzen und unangenehme Gefühle wie Schuldgefühle vermeiden.
  • Du findest es eigentlich gut, gebraucht und anerkannt zu werden und stärkst deinen Selbstwert daraus. 
  • Du hast Angst, etwas zu verpassen und sagst daher bei jeder Einladung Ja. 
  • Du strebst nach Kontrolle oder denkst, dass du Dinge besser kannst als andere. 

Mache dir deine Gründe für Schwierigkeiten mit der Abgrenzung bewusst, ohne dich dafür zu verurteilen. Denn dein Verhalten hat Gründe, die sicher einmal sehr hilfreich für dich waren (z.B. es in der Kindheit unseren Eltern recht machen wollen, um die Bindung zu sichern).

Warum Nein sagen so wichtig ist

Die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu kennen, zu respektieren und danach zu handeln bedeutet Selbstfürsorge. Das bedeutet nicht, keine Gefallen mehr zu tun, oder selbstbezogen zu handeln. Es geht vielmehr um eine kontrolliertere Entscheidung, bei der du dich mit den verschiedenen Optionen auseinandergesetzt und Prioritäten gesetzt hast. Sich selbst wichtig zu nehmen, führt zu einem verbesserten Selbstwert und zu Zufriedenheit. Durch das Nein sagen hast du außerdem mehr Zeit für wichtigere Aufgaben oder für dich. Das schützt vor Stress, Überforderungsgefühlen und Überlastung. Tatsächlich kann ein deutliches Nein auch dafür sorgen, ernst genommen zu werden und souverän zu wirken. Die folgenden Tipps können dich dabei unterstützen, leichter Nein zu sagen. 

Wie das Nein sagen gelingen kann 

  • Nachdem du deine Gründe für Schwierigkeiten mit dem Nein sagen besser kennengelernt hast, mache dir bewusst, dass diese heute vielleicht nicht mehr hilfreich oder richtig sind. Hinterfrage deine eigenen Annahmen und Befürchtungen – unterziehe sie einem Realitäts-Check. Könntest du tatsächlich deinen Job oder eine Freundschaft verlieren? Ist es realistisch und wichtig, von allen gemocht zu werden? Was ist schlimm daran, etwas zu verpassen? 
  • Mache dir die Folgen des Ja und Nein sagens bewusst. Welchen Preis hat dein Ja? Sind es mögliche Überstunden, Stress oder weniger Zeit mit der Familie? Was befürchtest du bei einem Nein, was könnten die Konsequenzen sein? Entscheide dann, aber mit Kontrolle. 
  • Es ist hilfreich, sich Bedenkzeit zu geben, anstatt automatisiert Ja zu sagen. Du könntest sagen: “Ich bin mir noch nicht sicher und sage dir später Bescheid.” Das ist gut, um in Ruhe darüber nachzudenken, ob du Nein sagen möchtest und warum es dir schwer fällt (siehe oben). So begegnest du dir mit Selbstachtung und Mitgefühl und kannst gezielter und überlegter auf eine Situation reagieren. Aber Achtung: Schiebe eine Entscheidung nicht ewig vor dir her, damit quälst du dich nur und eventuelle Befürchtungen werden größer.
  • Hast du dich für ein Nein entschieden, rede nicht um den heißen Brei herum und entschuldige dich nicht für deine Entscheidung. Das könnte unentschlossen wirken und zu weiteren Bitten führen. Auch könnte es dazu führen, dass du nicht ernst genommen wirst – weder von dir selbst noch von anderen. Du kannst kurz und sachlich begründen, warum du nein sagst, das reicht.
  • Es muss nicht immer ein konsequentes Nein sein. Vielleicht tut es, nach ein wenig Bedenkzeit deinerseits, auch ein Kompromiss nach dem Motto: “Ich erledige das gern für dich, aber nicht heute”  oder “Ich komme gern zu deiner Feier, aber es wird mir zu viel, einen Kuchen mitzubringen”
  • Klein anfangen! Überlege dir vorher gut, in welchen Situationen du Schwierigkeiten hast und plane, wie du in kleinen Schritten die Abgrenzung üben kannst. Fange am besten nicht mit der schwierigsten Situation an, sondern steigere dich langsam. 
  • Üben, üben, üben! Es wird zunächst möglicherweise schwierig sein und Kraft kosten, die Befürchtungen und Ängste auszuhalten, genauso wie die Reaktionen auf dein Nein. Aber du wirst merken, dass es mit jedem mal leichter wird und dir (und anderen) langfristig guttut. 

Du musst nicht immer Nein sagen, aber genauso musst du auch nicht immer Ja sagen. Erinnere dich daran, dass jedes Nein zu anderen ein Ja zu dir selbst ist. Und das darfst du dir erlauben.

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Friederike Schubbert

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