Lesedauer 6 Minuten Erfahre hier alles über den Ablauf einer Therapie bei Depressionen – von Erstgespräch bis Abschlussphase sowie Tipps für den Start.
Wem es psychisch nicht gut geht, wird häufig eine Psychotherapie empfohlen. Begibt man sich dann auf die Suche, wird schnell klar: Die eine Psychotherapie gibt es nicht. Es ist ohnehin schon nicht ganz einfach, schnell an einen Therapieplatz zu kommen. Die verschiedenen Begriffe, die dir auf der Suche danach begegnen können, wie “Verhaltenstherapie”, “Tiefenpsychologie” oder auch “ambulante” oder “teilstationäre Therapie” können zusätzlich verunsichern und zu Überforderung führen. Wie sollst du dich da entscheiden, was ist gut für dich und vor allem: Was bedeutet das alles überhaupt? Wir wollen Licht ins Dunkel bringen und erklären dir in den nächsten zwei Artikeln, welche Therapieformen und -settings es gibt und was sie unterscheidet. Los geht’s mit den Therapieformen.
Es gibt sehr viele verschiedene Verfahren oder auch Formen von Therapie. Wir fokussieren uns hier auf vier Verfahren, die dir auf der Suche nach einem Therapieplatz wahrscheinlich am häufigsten begegnen. Denn die vier Verfahren Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, (Kognitive) Verhaltenstherapie und Systemische Therapie sind kassenzugelassene Richtlinienverfahren. Das bedeutet, dass dies die einzigen Formen der Psychotherapie sind, die in Deutschland von den Krankenkassen anerkannt sind, und deren Kosten übernommen werden. Diese Therapieformen unterscheiden sich darin, wie sie die Entstehung psychischer Störungen erklären und behandeln, aber auch in der Dauer und Häufigkeit der Therapiestunden.
Die analytische Psychotherapie ist die älteste Therapieform und lässt sich auf Sigmund Freud zurückführen. Sie beruht auf der Annahme, dass der Grundstein für viele psychische Beschwerden in der Vergangenheit der Patient:innen zu finden ist. Sie entstehen demnach, weil Konflikte und Gefühle aus der Vergangenheit nicht bearbeitet oder verdrängt wurden und dir noch heute (unbewusst) im Wege stehen. Der Kern dieser Therapieform ist vor allem diese unbewussten, inneren Konflikte aufzudecken und zu lösen. Die Therapie findet auch heute noch häufig im Liegen statt. Der oder die Therapeut:in nimmt in der Psychoanalyse eine weniger aktive Rolle als bei anderen Therapieformen ein. Vielmehr soll der oder die Patient:in in “freier Assoziation” über all das sprechen, was gerade gefühlt und gedacht wird. Sitzungen finden in der Regel bis zu viermal in der Woche statt und die Therapie kann insgesamt bis zu 300 Therapiesitzungen umfassen.
Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie hat ihren Ursprung in der analytischen Psychotherapie und ähnelt sich daher in einigen Punkten. Auch hier wird davon ausgegangen, dass unbewusste Konflikte für die Entstehung von psychischen Beschwerden verantwortlich sind. Deshalb geht es hier auch viel um Biografie und vergangene Erfahrungen. Im Gegensatz zur Psychoanalyse liegt der Fokus jedoch mehr auf den wichtigsten aktuellen Konflikten, deren Lösung deine unbewussten Motive und Konflikte im Wege stehen. Therapeut:in und Patient:in gehen gemeinsam und gezielt die Probleme an, Therapeut:innen haben hier also eine aktivere Rolle. Die Therapie findet zudem immer im Sitzen statt, sodass Patient:in und Therapeut:in sich sehen können. Die tiefenpsychologische Therapie findet in der Regel einmal pro Woche statt und umfasst bis zu 100 Sitzungen.
Bei der kognitiven Verhaltenstherapie, oder auch nur Verhaltenstherapie, steht das (aktuelle) Verhalten, die Gedanken, Wahrnehmungen und Gefühle der Patient:innen im Vordergrund. Sie basiert auf der Annahme, dass psychische Störungen durch erlernte Verhaltens- und Denkmuster entstehen. Diese ungünstigen Lernerfahrungen können jedoch durch verlernen wieder rückgängig gemacht werden, was der Fokus der Behandlung ist. Ziel ist also, diese ungünstigen Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster zu erkennen und zu verändern. Trotzdem diese Therapieform eher im Hier und Jetzt arbeitet, wird auch hier über vergangene Erfahrungen gesprochen, die zur Entwicklung der Beschwerden beigetragen haben können.
Therapeut:innen nehmen hier eine aktive Rolle ein, stellen viele Fragen und unterstützen dabei, Lösungen und neue Wege zu finden. Auch von Patient:innen wird eine aktive Mitarbeit erwartet, weshalb man oft von “Hilfe zur Selbsthilfe” spricht. Die Sitzungen finden in der Regel einmal pro Woche und im Sitzen statt, eine Verhaltenstherapie kann bis zu 80 Stunden umfassen.
Seit 2020 ist auch die systemische Therapie ein zugelassenes Richtlinienverfahren, deren Kosten von den Krankenkassen übernommen wird. Bei der Systemischen Therapie liegt der Schwerpunkt auf dem sozialen Kontext der psychischen Störung. Im Fokus dieser Therapieform steht nicht nur ein einzelner Mensch, sondern das gesamte “System”, das soziale Umfeld der Patient:innen, also Bezugspersonen, Familie, und Freunde werden mit einbezogen. Eine psychische Erkrankung einer Person wird hier als Symptom für eine Störung der Interaktion im System (z.B. der Familie) gesehen. Daher werden Bezugspersonen auch häufig mit in die Therapiestunden einbezogen. Meistens findet die Therapie jedoch mit den Patient:innen allein statt. Sitzungen finden in der Regel einmal pro Woche statt und die Therapie kann bis zu 48 Stunden umfassen.
Es ist leider nicht so einfach zu sagen, welche dieser Therapieformen für dich am besten geeignet ist. Das ist sehr individuell und kommt auf deine eigenen Vorlieben an, und darauf, worauf du in der Therapie den Fokus legen möchtest. Dafür kann dir dieser Artikel eine erste Übersicht geben. Mach dich daher nicht verrückt: Du musst dich nicht direkt für eine Therapieform entscheiden und eine Entscheidung ist auch nicht endgültig. Denn bevor du eine Therapie beginnst, hast du immer einige Probestunden (die Probatorik) in denen du den oder die Therapeut:in kennenlernst und auch etwas zu den Methoden erfährst. Harmoniert es nicht zwischen dir und dem oder der Therapeut:in, oder die Therapieform ist doch nicht die richtige, kannst du dich noch umentscheiden.
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