Lesedauer 7 Minuten Veränderte Stimmung, Schlafmuster oder Interessen? Erfahre, wie du psychische Frühwarnzeichen erkennst und ihnen vorbeugst.
Ob Magenkrämpfe, Rückenleiden, Ohrendruck oder Schwindel: Körperliche Beschwerden verursachen großes Leid und können Betroffene in ihrem Alltag enorm einschränken. Besonders belastend wird es dann, wenn der Eindruck entsteht, gegen die Beschwerden nichts tun zu können. Bei etwa 20-40% der Patient:innen, die sich mit körperlichen Beschwerden vorstellen, können Ärzt:innen keine körperliche Ursache feststellen. Oftmals werden dann unterschiedlichste Behandler:innen aufgesucht - schließlich möchte man eine Erklärung für die Beschwerden finden und sie behandeln lassen - oftmals jedoch vergeblich. In der Regel kann es an die 5 Jahre dauern, bis die Reise von Wartezimmer zu Wartezimmer beendet ist und den Betroffenen nahegelegt wird, das Problem anders anzugehen und sich psychotherapeutische Hilfe zu holen. Für viele ist das wie ein Schlag ins Gesicht und es entstehen Gedanken wie “Ich bilde mir das doch nicht ein, ich bin doch nicht verrückt!”. Doch mit dem Einbilden von Schmerzen hat die Psychosomatik nichts zu tun.
Was es mit dem Begriff der Psychosomatik genau auf sich hat, was man darunter versteht und inwiefern Körper und Psyche sich beeinflussen, das erfährst du hier!
“Das kann doch nicht sein. Schon wieder ein Arzt, der mir sagt, dass mit meinem Magen alles ok ist. Ich spüre doch meine Magenkrämpfe, ich bin doch nicht bescheuert. Ich fühle mich einfach nicht ernst genommen…”
Der Begriff Psychosomatik stammt aus dem Altgriechischen und setzt sich zusammen aus den Wörtern Psyche (Atem, Hauch, Seele) und Soma (Körper, Leib). Er beschreibt somit die Wechselwirkung zwischen unserer Psyche und unserem Körper. Lange Zeit hat man angenommen, dass Körper und Seele getrennt voneinander zu betrachten seien und einander nicht beeinflussen würden. Inzwischen ist die Wissenschaft weiter und weiß um die wechselseitige Wirkung von Körper und Psyche: Denn, so wie ein belasteter Körper (Schmerzen) die Psyche belasten kann (Sorgen, Frust, Genervtheit), können sich auch psychische Belastungen wie Stress, Druck und starke Gefühle, z.B. Angst und Trauer im Körper bemerkbar machen und körperliche Beschwerden wie Schmerzen (Kopf, Rücken, Bauch…), vegetative Beschwerden (Schwindel, Schluckbeschwerden, Verdauungsbeschwerden, Herzstolpern) oder Erschöpfung auslösen.
Man beachte nur die zahlreichen Redewendungen, anhand derer der Einfluss der Psyche auf unseren Körper deutlich wird:
Die Psychosomatik leugnet das Bestehen körperlicher Beschwerden bei fehlenden organischen Befunden also keineswegs – sie zieht lediglich mehr Faktoren (vor allem psychische) in Betracht, die für die Entstehung der Symptome eine Rolle spielen könnten.
Oftmals liefern die körperlichen Beschwerden dabei einen guten Hinweis für dahinter liegende psychische Leiden. Man kann sich also fragen: Was bedeuten meine Körpersymptome? Hier ein paar Fragen, die du dir stellen könntest:
Es ist selbsterklärend, dass die oben genannten Fragen mit deinen Beschwerden nichts zu tun haben müssen. Aber vielleicht kommst du selber auf Ideen, wofür deine körperlichen Beschwerden stehen könnten und welche psychischen Leiden sie repräsentieren könnten.
Es gibt eine Vielzahl an möglichen Ursachen für psychosomatische Beschwerden. Die folgenden 5 Ursachen gehören dabei zu den häufigsten:
Eine typische Ursache ist Stress. Stress in all seinen Facetten: Deadlines, Partnerschaftskonflikte, Umzüge, aber auch “positiver” Stress wie Heiraten, Kinder kriegen oder eine Beförderung. Wenn du von dir erwartest, all dem Stress standzuhalten, dir keine Pause gönnst und deine Gefühle von Überforderung & Co nicht ernst nimmst, dann könnten sich die Beschwerden körperlich äußern. Angst und Stress können dann zu einer körperlichen Verkrampfung und der Ausschüttung von Stresshormonen führen, die sich auf den Magendarmtrakt oder Gefäße (z.B. in Form von Bluthochdruck) auswirken. Bestehen diese Symptome länger, weil der Stress chronisch wird, können sie zur Weiterentwicklung von Nachsymptomen führen wie Kopfschmerzen, Migräne, Reizdarmsyndrom. Chronischer Stress kann sich somit auf den Körper auswirken und zu einer Vielzahl von psychosomatischen Symptomen führen, wie z.B. Kopfschmerzen, Magenproblemen, Schlafstörungen oder Muskelverspannungen.
Auch emotionale Belastungen wie Trauer, Angst, Depressionen oder Einsamkeit können in körperliche Symptome “übersetzt” werden. Du spürst dann zum Beispiel nicht den Ärger als Gefühl, sondern das dazugehörige Gefühl im Körper. Vielleicht hat man nie gelernt, dem Gefühl Ärger Raum zu geben (z.B. “weil es sich nicht gehört”). Kinder haben z.B. häufig Bauchschmerzen, wenn sie wütend sind, weil sie noch nicht gelernt haben, was Ärger ist. Emotionale Belastungen können sich somit auf den Körper auswirken und psychosomatische Symptome auslösen.
Traumatische Erlebnisse wie Missbrauch, Vernachlässigung oder Gewalt können zu psychosomatischen Beschwerden führen. Dies hängt mit dem Körpergedächtnis zusammen: Das Körpergedächtnis bezieht sich darauf, wie das Gehirn Informationen über vergangene Erfahrungen und Emotionen im Körper abspeichert und wie diese später unser Verhalten und unsere körperliche Gesundheit beeinflussen können. Traumatisierungen können besonders stark in unserem Körpergedächtnis gespeichert werden, z.B. kann ein Mensch, der als Kind sexuellen Missbrauch erlitten hat, später im Leben Schmerzen im Beckenbereich oder im Genitalbereich entwickeln, obwohl keine medizinischen Ursachen gefunden werden können. Diese Schmerzen können durch das Körpergedächtnis ausgelöst werden, das auf die traumatische Erfahrung reagiert, die im Körpergedächtnis gespeichert ist.
Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie Perfektionismus oder eine Neigung zu Angstzuständen können das Risiko für psychosomatische Beschwerden erhöhen.
Körperliche Erkrankungen können ebenfalls psychosomatische Symptome auslösen oder verstärken, insbesondere wenn sie chronisch oder schwerwiegend sind.
Psychosomatische Beschwerden haben unterschiedliche Ursachen bei jedem Menschen. Um sie zu behandeln, ist es wichtig, dass der oder die Ärzt:in eine genaue Diagnose stellt und eine Behandlung speziell auf dich abstimmt. Nur so kann die Behandlung erfolgreich sein.
Es ist wichtig, sich der psychischen Ursache zu widmen, um das Problem nachhaltig lösen zu können. Das allgemeine, übergeordnete Ziel ist die Wiederherstellung der Lebensqualität, so dass Betroffene wieder ein erfülltes Leben führen können, welches nicht von körperlichen Leiden bestimmt ist.
1. Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, welche Stressoren es aktuell im Leben gibt. An welchen Stellen hast du zurzeit Stress im Leben? Gab es irgendwelche Veränderungen in letzter Zeit? Mehr Arbeit, eine Trennung, einen Umzug, eine neue Rolle, die du angenommen hast? Gibt es etwas, das du in Bezug auf deinen Stress verändern kannst? Was hilft dir im Umgang mit Stress? Sorgst du dafür, dass du deinen Stress abbaust, z.B. durch Sport? Wie machst du das? Was wären neue hilfreiche Strategien?
2. Frage dich im nächsten Schritt, ob es eine innere abgewehrte Emotionalität gibt, d.h. Gefühle, die du nicht zulassen kannst? Dann geht es darum, zu lernen, bestimmte Emotionen anzunehmen und keine Angst vor ihnen zu haben. Im geschützten Therapieraum sind alle Gefühle willkommen, du darfst dich in deiner Emotionalität frei entfalten und kannst lernen, den Zugang zu deinen Emotionen zu verbessern.
3. Vor dem Hintergrund einer besseren Lebensqualität ist es wichtig zu schauen, wie du dein Leben mit Beschwerden besser gestalten kannst. Oftmals verhält es sich so: Sind wir beschwerdefrei, machen wir alles (vielleicht zu viel!) und erleben wir Beschwerden, gehen wir in den kompletten Schongang. Stattdessen wäre es sinnvoll, dich einerseits zu fragen, an welchen Stellen du im normalen, gesunden Zustand kürzer treten könntest und andererseits zu schauen, welche Tätigkeiten mit Beschwerden noch gerade so möglich sind? So bewegst du dich weiter weg von den 2 Extremen “Alles oder Nichts” und kannst durch den Abbau von Rückzug und Schonverhalten für mehr Lebensqualität sorgen.
4. Eine mögliche Therapieform ist außerdem die Körperpsychotherapie, die darauf abzielt, eine Verbindung zwischen Körper, Geist und Emotionen herzustellen. Hierbei können verschiedene Techniken wie Atemübungen, Entspannungs- sowie Achtsamkeitsübungen, Yoga, Chi Gong, Tai Chi und weitere Körperübungen eingesetzt werden, um das Körperbewusstsein zu verbessern.
Fazit: Für nahezu jedes Problem gibt es immer mehrere Einflussfaktoren und nicht nur eine Erklärung. Leidest du an körperlichen Beschwerden mit bisher unentdeckter Ursache, muss es sich keinesfalls um eine psychische Ursache handeln. Es lohnt sich jedoch immer, auch nach psychischen Einflussfaktoren zu schauen und die Kraft der Psyche nicht zu unterschätzen. Wir sind uns sicher, es wird sich auszahlen!
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