Artikel vom 
August 15, 2023

Hypochondrie: Angst vor Krankheiten

Lesedauer 5 Minuten

Wenn “dieser Kopfschmerz” nur einen Gehirntumor bedeuten kann, oder Flecken auf der Haut mit Sicherheit für Hautkrebs stehen, dann kann Hypochondrie, oder auch Krankheitsangst, dahinterstehen. Was in der Gesellschaft häufig als sensibel, hysterisch oder belustigend dargestellt wird, ist in der Realität für Betroffene extrem belastend. Die Symptome sind nicht bloß Einbildung oder Simulation und Betroffene können auch nicht “mal wieder runterkommen”. Bei der Hypochondrie handelt es sich um eine ernstzunehmende psychische Störung: der massiven Angst, an einer schlimmen Krankheit zu leiden. Woran du eine hypochondrische Störung erkennst, wie sie entsteht und was du dagegen tun kannst, erfährst du hier. 

Was ist Hypochondrie?

Eine hypochondrische Störung zeichnet sich vor allem durch die Überzeugung aus, an einer oder mehreren schlimmen Krankheiten zu leiden. Betroffene Personen nehmen eine Vielzahl körperlicher Symptome wahr oder beschäftigen sich ständig mit körperlichen Phänomenen, die für diese Krankheit sprechen könnten. Dazu kommt eine anhaltende Sorge um die körperlichen Beschwerden und die Angst darüber, was diese Krankheit für Folgen haben wird. Das sorgt häufig dafür, dass betroffene Personen medizinische Behandlungen oder Hilfe aufsuchen, die jedoch keine Bestätigung oder Ursache für die Beschwerden finden können. Das beruhigt Menschen mit einer hypochondrischen Störung aber höchstens kurzzeitig, sodass sie durch die anhaltenden Beschwerden und Sorgen weiterhin davon ausgehen, an einer schlimmen Krankheit zu leiden. 

Welche Symptome treten bei Hypochondrie auf?

Die Symptome bei einer hypochondrischen Störung sind vielfältig. Sie betreffen verschiedene Bereiche, wie den Körper, die Gedanken, die Emotionen und das Verhalten. Die meisten Betroffenen leiden an der Angst, an Krebs erkrankt zu sein, gefolgt von der Angst, an einer Herzerkrankung zu leiden. 

  • Körperliche Symptome: Betroffene nehmen verschiedene körperliche Symptome wahr (z.B. Kopfschmerzen, Flecken auf der Haut, Bauchschmerzen usw.), meist beziehen sich diese auf ein Organ oder ein Organsystem, das im Zusammenhang mit der befürchteten Krankheit steht. 

→ “Ich habe Kopfschmerzen”

  • Gedanken: Die wahrgenommenen körperlichen Symptome werden als gefährlich interpretiert und als Anzeichen für die befürchtete schlimme Krankheit. Zudem wird die Aufmerksamkeit stark auf körperliche Symptome und deren Bedeutung fokussiert. Die Gedanken drehen sich ständig um die Erkrankung und Betroffene haben Schwierigkeiten, nicht darüber nachzudenken.

→ “Habe ich Kopfschmerzen? Oh ja, da fühle ich etwas, das kann nur einen Hirntumor bedeuten”

  • Emotionen: Betroffene empfinden eine massive Angst vor der Erkrankung und den Folgen der Erkrankung (z.B. zu sterben). Da betroffene Personen von Ärzt:innen häufig hören, dass keine ernsthafte Erkrankung vorliegt, kann zudem eine Scham entstehen, dass die Befürchtungen weiterhin bestehen. Das belastet zusätzlich. 
  • Verhalten: Auf der Verhaltensebene zeigen sich verschiedene Symptome bei Betroffenen der hypochondrischen Störung. Durch die Überzeugung, an einer schlimmen Krankheit zu leiden und das starke Konzentrieren darauf, fangen viele Menschen an, den Körper auf Krankheitsanzeichen zu untersuchen, das sogenannte Body-Checking Verhalten (z.B. auf Flecken untersuchen, auf Schmerzen achten, abtasten). Das kann einerseits der Bestätigung der eigenen Überzeugung dienen, andererseits kann es kurzzeitig beruhigen, wenn nichts gefunden wird. 

Zudem suchen Betroffene sehr häufig Ärzt:innen oder andere Hilfseinrichtungen auf. Da keine ernsthafte körperliche Erkrankung den Symptomen zugrunde liegt, können Betroffene nach einem Arztbesuch kurzzeitig beruhigt sein. Das hält jedoch selten länger an, sodass sie wiederholt Ärzt:innen aufsuchen müssen, um sich sicher zu sein. Das nennt man Rückversicherungsverhalten. Rückversicherungen äußern sich auch in Form von Symptome googlen, den Körper untersuchen oder andere Menschen fragen, was diese zu den Symptomen denken.
Da die hypochondrische Störung massive Ängste auslöst, kann sich auf der Verhaltensebene zudem auch ein Vermeidungsverhalten zeigen. Betroffene fangen also möglicherweise an, gar nicht mehr zu Ärzt:innen zu gehen, den eigenen Körper nicht mehr anzuschauen, sich ständig abzulenken oder alle Themen rund um Erkrankungen zu meiden. 

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Du bekommst die Diagnose einer hypochondrischen Störung, wenn:

  • Du seit längerer Zeit (mindestens 6 Monate) an der Befürchtung oder Überzeugung leidest, an einer oder maximal 2 schweren Krankheiten zu leiden.
  • Die Angst bzw. Sorge darum dich so stark belastet, dass sie dein alltägliches Leben einschränkt und du daher häufig medizinische Behandlungen oder Hilfe aufsuchst.
  • Die medizinische Feststellung, dass es keine körperliche Erklärung für die Symptome gibt, dich nicht oder nur kurzzeitig beruhigt oder von deiner Gesundheit überzeugen kann. 

Was sind die Ursachen einer Hypochondrie?

Die Ursachen einer Hypochondrie sind noch wenig untersucht. Es wird angenommen, dass mehrere Faktoren zusammenkommen, die im Zusammenspiel miteinander die hypochondrische Störung begünstigen und auslösen. So gibt es Faktoren, die die Entstehung einer Hypochondrie (bzw. die generelle Verletzlichkeit einer Person, eine psychische Störung zu entwickeln) begünstigen. Das können biologische Faktoren, wie die genetische Veranlagung (Vererbung), eine höhere Sensibilität für Körperempfindungen oder eine ängstliche Persönlichkeit sein. Aber auch psychologische oder soziale Faktoren, wie ein überbehütender Erziehungsstil, traumatische Erfahrungen oder belastende Erfahrungen mit Krankheiten in der Vergangenheit. 

Eine hypochondrische Störung wird meist dann ausgelöst, wenn zu diesen “Risikofaktoren” weitere Belastungen hinzukommen. Das können stressreiche Situationen sein, wie Verlusterlebnisse, Mobbingerfahrungen, Überlastung, allgemeine Veränderungen im Leben oder traumatische Ereignisse. Auch negative Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem spielen eine Rolle (z.B. durch Fehldiagnosen, Krankheiten oder Tod durch Krankheiten bei Angehörigen). Die Entstehung einer hypochondrischen Störung ist also sehr individuell. 

Ist eine hypochondrische Störung entstanden, wird sie (wie jede andere psychische Störung) durch bestimmte Faktoren aufrechterhalten. Meist sind das unsere eigenen Verhaltensweisen, mit denen wir eigentlich dafür sorgen wollen, dass es uns besser geht. Bei der Hypochondrie geraten Betroffene schnell in einen Teufelskreis: 

Der Teufelskreis der Hypochondrie

Du bemerkst zufällig eine körperliche “Auffälligkeit” (z.B. eine Rötung, Kopfschmerzen oder Herzklopfen). Diese empfindest du als unangenehm oder interpretierst sie als mögliches Krankheitszeichen. Dem betreffenden Körperbereich schenkst du daraufhin mehr Aufmerksamkeit, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass du erneut etwas bemerkst. Die vermehrten Empfindungen werden dann als ernsthafte Erkrankung fehlgedeutet, weshalb du beginnst, dir Sorgen zu machen und diese Empfindungen stärker zu beobachten und zu überprüfen (Body-Checking). Das kann dazu führen, dass die Beschwerden tatsächlich zunehmen (z.B. kann bei häufigem Abtasten einer Rötung diese sich verschlimmern). Die Ängste nehmen zu und du versuchst dich zu beruhigen, dass du nicht unter der befürchteten Krankheit leidest (Rückversicherung, z.B. bei Ärzt:innen). Die Aussage, dass es keine körperlichen Ursachen gibt, beruhigt dich möglicherweise kurzfristig. Langfristig verstärkt dieses “gute Gefühl” nach dem Sicherheitsverhalten (Ärzt:innen aufsuchen, Bekannte fragen, Body-Checking usw.) jedoch nur. Das führt dazu, dass du dich in Zukunft weiterhin rückversicherst, um dich zu beruhigen.

Aber keine Sorge: eine hypochondrische Störung ist gut und nachhaltig behandelbar. 

Hypochondrie: Was tun?

Bei der Hypochondrie befürchten Betroffene, an einer schweren körperlichen Erkrankung wie Krebs oder einer Herzerkrankung zu leiden. Die tatsächliche Erkrankung ist jedoch psychischer Natur. Die Behandlung der Wahl ist Psychotherapie. 

Psychotherapie

Die am besten untersuchte und wirksamste Behandlung bei der Hypochondrie ist die kognitive Verhaltenstherapie. Ein häufiges Problem hierbei: Bevor betroffene Personen die richtige Therapie bekommen, können viele Jahre vergehen. Denn dafür muss zunächst erkannt werden (sowohl von Ärzt:innen als auch Betroffenen), dass es sich nicht um eine körperliche Erkrankung handelt. Erst bei Zweifeln daran begeben sich Betroffene in der Regel in psychotherapeutische Behandlung. 

Ein großer Fokus der kognitiven Verhaltenstherapie in der Behandlung der Hypochondrie liegt auf der “kognitiven Therapie”, also der Arbeit an den Gedanken. Betroffene lernen, ihre schädlichen Überzeugungen zu verändern. So lernen sie, dass die körperlichen Empfindungen und gelegentliche Beschwerden Teil eines normalen, gesunden Erlebens sind und nicht unbedingt eine Gefahr oder schwere Erkrankung bedeuten. Zudem werden neue Interpretationen erarbeitet, die Auslöser für bestimmte körperliche Empfindungen sein könnten (z.B. "Bei meinen Kopfschmerzen könnte ein Gehirntumor eine Rolle spielen, wahrscheinlicher ist jedoch, dass ich zu wenig getrunken habe, schlecht geschlafen habe, heute viel Stress hatte oder sich eine Erkältung ankündigt”). 

Aber auch das Verhalten wird in der Therapie angeschaut. Denn vor allem das  Sicherheitsverhalten soll durch die Psychotherapie reduziert werden, da es die Ängste in der Regel nur kurzzeitig beruhigt und langfristig aufrechterhält. Betroffene lernen unter Anderem, sich mit ihren Ängsten auseinanderzusetzen, anstatt sie zu vermeiden und sich selbst zu beruhigen, anstatt Rückversicherung durch Ärzt:innen oder Familie und Freund:innen zu suchen. Auch bestimmte Entspannungsverfahren können erlernt werden, um Stress abzubauen und ein neues Verhältnis zum Körper zu entwickeln.

Also keine Sorge, wenn du dich in den oben genannten Symptomen und Beschreibungen vielleicht wiederfindest. Möglicherweise handelt es sich um eine hypochondrische Störung. Und diese kann mit Psychotherapie gut behandelt werden. Und auch, wenn du dir nicht sicher bist, ob es sich bei diesen Symptomen um eine körperliche oder psychische Erkrankung handelt: Ein Besuch bei einem oder einer Psychotherapeut:in kann dir helfen, denn du musst da nicht allein durch.

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Friederike Schubbert

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