Artikel vom 
August 25, 2023

Trauer: Wie gehe ich damit um?

Lesedauer 6 Minuten

Für die Hinterbliebenen teilt der Tod eines Angehörigen ihr Leben häufig in ein “Davor” und “Danach” und nichts ist mehr so, wie es einmal war. Unabhängig davon, ob der Verlust eines Menschen plötzlich oder schleichend eintritt, wenn wir einen Verlust erleben, trauern wir. Neben einer Traurigkeit können weitere schwierige Gefühle, wie Angst, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung oder Wut dazukommen. Trauer ist eine normale und sinnvolle Reaktion, aber dennoch muss sie verarbeitet werden. Was Trauer ist, wie sie sich äußert und wie du einen Umgang damit finden kannst, erfährst du in diesem Artikel.

Was ist Trauer?

Wenn wir einen Verlust erleiden, trauern wir. Das kann der Verlust eines geliebten Menschen sein, oder eine Trennung. Aber auch  den Verlust von etwas Wichtigem, wie der eigenen Heimat, körperlicher Gesundheit oder das Ende einer Lebensphase, können wir betrauern. Was sich für viele Menschen sehr belastend anfühlt, ist aus evolutionärer Sicht sinnvoll und wichtig: Denn Trauer hilft uns bei der Bewältigung von Verlusten und Trennungen und bei der Verarbeitung des Erlebten. Gleichzeitig hilft uns Trauer auch bei einer Neuorientierung und Weiterentwicklung. Sie ermöglicht uns also, Bindungen aufzulösen und neue Bindungen einzugehen. 

Symptome von Trauer

Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf Verlust. Wie ihre Trauer gezeigt und verarbeitet wird, ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Es gibt auch kein “richtiges” oder “falsches” Trauern. Viele verschiedene Emotionen, Gedanken und Reaktionen können nach einem Verlust dem Trauerprozess zugeordnet werden. 

Das Erleben von unterschiedlichen Gefühlen ist im Trauerprozess normal. Neben einer tiefen Traurigkeit können Freudlosigkeit, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Zerrissenheit auftreten. Auch eine Leere oder Gefühllosigkeit ist nicht selten, genauso wie Sinnlosigkeit und Wut. Viele Menschen haben in der akuten Trauerphase den Eindruck, nichts Positives im Leben mehr sehen und finden zu können. Der Trauerprozess verläuft jedoch nicht immer gleich und die Gefühle treten nicht alle gleichzeitig auf. Sie können sich abwechseln und immer wieder verändern. Zu Beginn sind sie meistens sehr stark und werden mit der Zeit immer weniger intensiv. 

Die Gedanken können sich viel um die verstorbene Person (oder eine andere Verlusterfahrung) drehen. Auch der Eindruck, dass diese Person anwesend sei, kann vorkommen. Zudem können Grübelgedanken aufkommen, die sich um verschiedene Themen drehen können, wie die Zukunft, die eigene Hilflosigkeit oder Erinnerungen. Sie können sehr belastend sein.

Auch körperlich kann sich Trauer zeigen und verarbeitet werden. Die meisten Menschen kennen vor allem die Reaktion Weinen, die unterschiedlich stark ausgeprägt auftreten kann. Einige Menschen berichten von starkem Weinen oder davon, dass ihnen das Weinen gut tut. Andere können vielleicht (zunächst) auch gar nicht weinen. Weitere körperliche Reaktionen können Müdigkeit, Erschöpfung oder Schlafstörungen sein sowie ein Wunsch nach Rückzug. Auch Schmerzen, Magen-Darm-Probleme oder Schwindel können auftreten und sind normal. Viele körperliche Trauerreaktionen wie Weinen oder auch Klagen, eine starre Mimik, Rückzug oder Verlangsamung haben eine evolutionäre Funktion: Sie zeigen unseren Mitmenschen, dass wir trauern. Das führt zu Mitleid und Mitgefühl und sorgt dafür, dass wir Unterstützung, Geborgenheit, Schutz und Schonung erfahren. 

Die Phasen der Trauer

Kein Trauerprozess verläuft gleich, doch es gibt sehr ähnliche Phasen, in denen sich trauernde Menschen befinden können. Diese sind nicht immer gleich lang oder gleich ausgeprägt, sie können aber eine Orientierung sein und grob in folgende 4 Phasen eingeteilt werden: 

  1. Schockphase: Direkt nach einer Verlusterfahrung ist es schwer zu verstehen, was passiert ist. Die erste Phase der Trauer ist geprägt von Nicht-wahrhaben-wollen, Vermeidung, Leugnung und dem Eindruck, man würde bald aus einem bösen Traum erwachen. Es ist im ersten Moment nach dem Verlust oft nicht möglich, die Realität und die damit zusammenhängenden belastenden Gefühle zuzulassen, betroffene Menschen können daher zunächst wie erstarrt wirken. Diese Phase hält meist nur ein paar Stunden bis Tage an.
  2. Gefühlschaos: Die zweite Phase ist geprägt von verschiedenen, intensiven Emotionen, die abwechselnd auftreten und auch widersprüchlich sein können. Es können Traurigkeit, Angst, Sorge, Schuldgefühle, Liebe, Sehnsucht oder auch Wut auftreten. Diese Phase wird häufig als sehr belastend erlebt. Viele Betroffene versuchen daher, die unangenehmen Emotionen nicht zu spüren, sie zu verdrängen oder sich “zusammenzureißen”. Auch wenn es schmerzhaft ist, ist es wichtig, alle mit der Trauer zusammenhängenden Emotionen zuzulassen. 
  3. Verbindung und Trennung: In dieser Phase wird dem Betroffenen langsam immer wieder bewusst, dass der Verlust real ist. Das führt häufig zu einer Beschäftigung mit dem verstorbenen Menschen. Trauernde denken viel an diese Person, schauen sich Bilder an, haben Erinnerungen oder den Eindruck, dass diese Person tatsächlich anwesend ist. Neben dieser “Suche” nach einer Verbindung mit der Person erfolgt gleichzeitig die “Trennung”, also der Impuls, sich von Erinnerungen und Gedanken freizumachen. Es ist normal, immer wieder hin und her zu schwanken zwischen diesen beiden Polen. Das führt nach einer gewissen Zeit zu dem Verständnis und der Akzeptanz, dass der Verlust dauerhaft sein wird. Das heißt natürlich nicht, dass damit auch die Traurigkeit über einen Verlust aufhören muss. Diese ist immer nachvollziehbar. Sie nimmt dann aber nicht mehr so viel Raum ein. 
  4. Neuorientierung: Wird ein Verlust akzeptiert, kann Raum für Neues entstehen. Der Blick kann in dieser Phase wieder nach vorn gerichtet werden. Trauernde finden wieder mehr zu sich selbst, können neue Gedanken, Rollen, Beziehungen und Zukunftsvorstellungen zulassen. 

Trauer oder Depressionen?

Viele der Symptome einer Trauerreaktion treten auch bei einer Depression auf, wie Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, Erschöpfung oder körperliche Beschwerden. Das heißt aber nicht, dass Trauer eine Krankheit ist. Im Gegenteil: sie ist eine normale und wichtige Reaktion auf ein schwieriges Verlustereignis. In der Regel verringern sich die Symptome nach einem Verlust schrittweise und lassen meist nach etwa einem halben Jahr nach. Das muss aber nicht immer so sein, je nach Lebenslage kann es länger dauern. Es gibt auch Betroffene, die die Phasen der Akzeptanz, Anpassung oder Neuorientierung nicht erreichen und nach einem Verlust eine lang anhaltende Trauer entwickeln. 

Im medizinischen Sinne spricht man dann häufig von einer pathologischen Trauer, einer chronischen, komplizierten oder auch verzögerten Trauer. Sie kann zu einer depressiven Anpassungsstörung, einer Depression oder auch Angststörung führen und ist für Betroffene sehr belastend. Eine pathologische Trauerreaktion ist heilbar und kann durch professionelle Hilfe be- und verarbeitet werden. Es kann also sehr hilfreich sein, sich bei starker Belastung und psychischen Anpassungsschwierigkeiten professionelle Hilfe zu suchen. 

Wie kann ich Trauer verarbeiten?

Trauer ist eine normale Reaktion und sehr wichtig für Menschen, damit sie den Verlust oder die Trennung einer geliebten Person verarbeiten können. Manchmal fällt die Verarbeitung eines solchen Erlebnisses aber sehr schwer. Folgende Tipps können dir vielleicht helfen, um Trauer besser zuzulassen und einen Verlust besser zu verarbeiten.

Was kann ich selber tun? 

  • Gib dir Zeit: Versuch dich auf den Prozess der Trauer einzulassen. Es ist nicht absehbar, wie lange du trauern wirst oder wie intensiv die Gefühle sein werden, aber es macht Sinn, Rücksicht auf dich zu nehmen und dir Zeit und Raum für den Prozess zu geben. Du musst nicht direkt wieder “normal funktionieren”, du solltest auf dich aufpassen und für dich sorgen.
  • Gefühle zulassen: Eine Verlusterfahrung geht mit unangenehmen Gefühlen einher. Das kann zwar schmerzhaft sein, ist aber wichtig, damit du dich langfristig loslösen und Platz für Neues schaffen kannst. Versuche daher, Akzeptanz für dich und deine Gefühle aufzubringen und sie zuzulassen. Gefühle zu verdrängen, ist langfristig nicht hilfreich. Es kann helfen, die Gefühle und Gedanken aufzuschreiben oder sie im Kopf zu benennen, ohne sie zu bewerten (z.B. “Ich bin traurig und das ist in Ordnung so”). Auch Achtsamkeits- und Akzeptanzübungen können helfen, deine Gefühle besser wahrzunehmen und sie nicht zu bewerten. 
  • Rituale: Vielleicht hilft es dir, kleine Rituale des Trauerns und Abschiednehmens zu schaffen. Das kann alles sein, was dir hilft, z.B. einen bestimmten Ort aufzusuchen oder einen Brief an die verstorbene Person zu schreiben. Solche festen Zeitrahmen können auch hilfreich sein, um die Trauer langsam zuzulassen, aber sie nicht zu vermeiden.
  • Selbstfürsorge/Ablenkung: Es ist wichtig, dass du dir weiterhin etwas Gutes tust und Dinge unternimmst, die dir Spaß machen oder die dir früher Spaß gemacht haben. Viele Menschen kennen im Trauerprozess Gefühle von Schuld oder Scham, sie fühlen sich falsch, wenn sie trotz der schwierigen Situation etwas Schönes unternehmen. Diese Momente sind aber wichtig, damit du zwischendurch auf andere Gedanken kommen und wieder Kraft schöpfen kannst. 
  • Soziale Kontakte: Wer trauert, braucht Trost. Möglicherweise ist dir nicht (ständig) danach, andere Menschen zu sehen und du kannst dich natürlich auch selbst trösten. Der Kontakt zu anderen kann aber sehr hilfreich und heilsam sein. Denn gerade über das Gespräch mit anderen können wir unsere Trauer gut be- und verarbeiten, Gefühle zulassen und Zuspruch, Unterstützung und Gemeinschaft erfahren. 
  • Selbsthilfegruppen: Eine besondere Art von sozialen Kontakten können Selbsthilfegruppen sein. Es gibt spezifische Selbsthilfegruppen für trauernde Menschen, in denen du dich mit anderen Betroffenen austauschen kannst. Sie wissen, wie sich ein Verlust anfühlt, können deine Reaktionen verstehen und ihr könnt euch gegenseitig Unterstützung bieten. 

Wann ist eine Therapie bei Trauer sinnvoll?

Trauer muss nicht allein bewältigt werden. Wenn du den Eindruck hast, dass es dir schwer fällt, sie allein zu bewältigen, kann es hilfreich sein, dir professionelle psychotherapeutische Unterstützung zu suchen. Hält deine Trauer sehr lange an (z.B. über ein halbes Jahr ohne sich wirklich zu verändern) und schränkt dich in deinem täglichen Leben ein, oder wenn du bemerkst, dass du dich gar nicht damit beschäftigen kannst, dann kann eine unterstützende Therapie sinnvoll sein. Es ist aber nicht wichtig, dass du erst eine bestimmte Zeit getrauert hast, du kannst auch vorher schon therapeutische Unterstützung aufsuchen. Gemeinsam mit dem oder der Therapeut:in wirst du dann entscheiden, was das Beste für dich ist. 

Psychotherapie bei Trauer hilft dir dabei, deine Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen (z.B. Vermeidung) zu identifizieren, die verhindern, dass du deine Trauer zulassen kannst. Du lernst, die unangenehmen Gefühle zuzulassen, zu überwinden und neue Ideen für dein Leben und deine Zukunft zu finden.

Wir haben freie Therapieplätze

Wir können dir in der Regel innerhalb von 8-12 Wochen einen Therapieplatz vermitteln. Starte deine Therapie bei unseren Partnertherapeut:innen, die in den meisten Fällen von deiner Krankenkasse gezahlt wird.

Friederike Schubbert

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