Letztes Update: 
07.08.2025

Psychische Erkrankungen - Wie wird eine Diagnose gestellt?

Lesedauer: 4 Minuten

Da es häufig nicht so einfach ist, eine psychische Störung zu erkennen, wie z.B. einen Knochenbruch oder eine Mandelentzündung, dauert der diagnostische Prozess oft länger. Er beinhaltet hauptsächlich Gespräche, aber auch Fragebögen und spezielle Tests können zur Diagnose einer psychischen Erkrankung eingesetzt werden. Wie der Vorgang abläuft, was dich bei Diagnosegesprächen erwartet und welche Fragen gestellt werden können, erfährst du jetzt.

Was ist eigentlich eine “psychische Erkrankung”?

Psychische Erkrankungen beeinträchtigen das Denken, Fühlen und Verhalten eines Menschen negativ. Sie können den Alltag erheblich erschweren. Das heißt, dass psychische Erkrankungen nach außen zwar meist unsichtbar sind, sich für Betroffene aber dennoch sehr real und belastend anfühlen.

Typische psychische Erkrankungen sind unter anderem:

Wie wird eine psychische Erkrankung diagnostiziert?

Psychische Erkrankungen lassen sich nicht durch einen Bluttest oder ein Röntgenbild nachweisen. Stattdessen stützen sich Ärzt:innen und Therapeut:innen auf international anerkannte Klassifikationssysteme. In Deutschland ist dabei vor allem eines entscheidend: die ICD. Diese wird von den gesetzlichen Krankenkassen verwendet, um zu prüfen, ob eine psychische Erkrankung vorliegt und ob eine Behandlung übernommen wird.

Was genau ist die ICD?

Die ICD (International Classification of Diseases) ist ein weltweit anerkanntes Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO). In Europa – und damit auch in Deutschland – ist sie die verbindliche Grundlage für die Diagnose und Codierung psychischer und körperlicher Erkrankungen.

Wie wird eine Diagnose gestellt?

Eine Diagnose kann von (Haus)ärzt:innen, Psychiater:innen oder Psychotherapeut:innen gestellt werden. Je nach Therapie-Setting (z.B. ambulante Psychotherapie, stationäre oder teilstationäre Therapie) kann die Diagnosestellung etwas variieren. Im Folgenden beschreiben wir einen typischen Verlauf der Diagnosestellung in der (ambulanten) Psychotherapie – also wenn du dich vor Ort (z.B. in einer Praxis) oder online mit einer oder einem Psychotherapeut:in für deine Sitzung triffst.

Erstgespräch

Das “Herzstück” der Diagnosestellung ist das ärztliche, psychiatrische oder psychotherapeutische Gespräch. Hier geht es darum zu klären, warum du da bist und dir die Möglichkeit zu geben, deine Symptome zu schildern. Meist wirst du in der ersten Stunde nach deiner aktuellen Lebenssituation und Vorbehandlungen gefragt. Es wird dann eine diagnostische Einordnung nach dem ICD-10 geben. Das ist aber nur eine erste Einschätzung und kann sich im Laufe der Sitzungen noch ändern.

Es kann sich am Ende des Gesprächs darauf geeinigt werden, dass es aktuell keinen psychotherapeutischen Behandlungsbedarf gibt. Damit wäre der diagnostische Prozess beendet. Wurde eine behandlungsbedürftige psychische Störung erkannt (also wenn es dir sehr schlecht geht und du dich belastet fühlst), werden erste Therapieoptionen und -empfehlungen besprochen.

Diagnostische Sitzungen (Probatorik)

Wurde eine ambulante Psychotherapie empfohlen, folgen meist vier bis fünf sogenannte probatorische Sitzungen. Diese dienen dem gegenseitigen Kennenlernen und der genaueren Einschätzung deiner Beschwerden. Dabei geht es unter anderem um die Häufigkeit und Ausprägung deiner Symptome, frühere Behandlungen, Medikamenten- oder Drogenkonsum sowie wichtige biografische Erfahrungen. Du entscheidest selbst, was du teilen möchtest. Nichts muss erzählt werden, was dir unangenehm ist.

Je nach Beschwerden kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz:

  • Fragebögen: z.B. zur Einschätzung von Depression oder Angst
  • Tests: Etwa am Computer bei Verdacht auf Demenz
  • Strukturierte Interviews: Mit vielen gezielten Fragen zu deinen Symptomen und Erfahrungen
    Der genaue Ablauf hängt von deinen Symptomen und der Arbeitsweise deiner oder deines Therapeut:in ab.

Medizinische Untersuchung

Auch auf körperliche Erkrankungen muss bei der Diagnostik geachtet werden, denn diese können Auslöser oder Mitverursacher von psychischen Beschwerden sein (wie z.B. depressive Verstimmung durch eine Schilddrüsenerkrankung). Daher wirst du im Laufe der ersten Sitzungen gebeten, eine medizinische Untersuchung deines oder deiner Hausärzt:in vornehmen zu lassen. So können körperliche Ursachen ausgeschlossen werden oder der Einfluss von chronischen Erkrankungen mit einbezogen werden.

Dein:e Behandler:in stellt im Anschluss einen sogenannten Konsiliarbericht aus, den du mit zu deinem oder deiner Psychotherapeut:in nimmst. Nur mit diesem können die Kosten für deine Psychotherapie von der Krankenkasse übernommen werden.

Diagnosevergabe

Bei der abschließenden Beurteilung wird dir deine Diagnose erklärt. Diagnosen bzw. deine Symptome, Problembereiche und Beschwerden werden dabei immer in Zusammenhang mit deinen individuellen Erfahrungen und deiner aktuellen Lebenslage gebracht. So entsteht ein Therapieplan, der genau auf dich abgestimmt ist. Im Laufe der Therapie können weitere Fragebögen oder Tests genutzt werden, z.B. um Fortschritte und Erfolge, Symptomveränderungen oder neue Ziele festzuhalten.

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Vorteile und Nachteile eine Diagnose

Du musst keine Angst davor haben, eine psychische Störung diagnostiziert zu bekommen. Die richtigen Diagnosen zu vergeben, ist ein sehr wichtiger erster Schritt in Richtung psychischer Gesundheit. Durch die vielen Fragen und das gemeinsame Erörtern wird sichergestellt, dass das “Problem” der Patient:innen genau verstanden wird. Nur so kann ein passender Therapieplan entwickelt werden.

Vorteile einer Diagnose:

  • Besseres Selbstverständnis: Eine Diagnose macht psychisches Leid greifbar und zeigt, dass deine Beschwerden ernst zu nehmen sind.
  • Gezielte Therapieplanung: Nur wenn klar ist, worum es genau geht, kann ein individuell passender Therapieplan für dich entwickelt werden.
  • Zugang zu Unterstützung: Viele therapeutische und finanzielle Hilfen setzen eine formelle Diagnose voraus. Darunter fallen etwa die Psychotherapie auf Krankenkassenkosten oder die Verschreibung gewisser Medikamente.

Mögliche Nachteile einer Diagnose:

  • Stigmatisierung: Eine Diagnose kann dazu führen, dass Betroffene sich stigmatisiert fühlen oder tatsächlich auf gesellschaftliches Unverständnis stoßen.
  • Versicherung: Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen will, muss nach einer Diagnose mit psychischer Erkrankung unter Umständen höhere Beiträge zahlen.
  • Verbeamtung: Auch bei der Verbeamtung kann eine psychische Diagnose zu Nachteilen führen. In manchen Fällen kommt es zu Rückfragen oder Ausschlussverfahren.

Fazit

Die Diagnose psychischer Erkrankungen ist ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zur Besserung und Wiederherstellung deiner Gesundheit. Auch wenn der Weg dorthin mit vielen Fragen, Gesprächen und manchmal Unsicherheit verbunden ist: Er dient vor allem deinem Schutz und deiner Orientierung.

Eine fundierte Diagnose hilft dabei, psychisches Leid greifbar zu machen, passende Therapien zu finden und gezielt Unterstützung zu erhalten. Es ist ein Zeichen von Stärke, dir bei einer psychischen Erkrankung Hilfe zu holen. Starte den Weg zu deiner Diagnose mit dem Finden eines Therapieplatzes. Hier erfährst du, wie du schnell einen Therapieplatz bekommen kannst.

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Alina Haidacher
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